Forschungsprojekt «Netzbasierter Instrumental- und Vokalunterricht» des VMS und der Hochschule Luzern – Musik

Die Digitalisierung gewinnt auch im Bildungsbereich zunehmend an Bedeutung, zusätzlichen Schub hat dieser Trend durch die aufgrund der COVID-19-Pandemie verordneten Schulschliessungen erhalten. Das gilt auch für den Bereich der musikalischen Bildung. Der Verband Musikschulen Schweiz und die Hochschule Luzern – Musik haben im Rahmen eines Forschungsprojekts die jüngsten Entwicklungen im Bereich des netzbasierten Instrumental- und Vokalunterrichts untersucht.

Fast 1'500 Musiklehrpersonen aus der ganzen Schweiz nahmen an der Umfrage über den Fernunterricht während des Lockdowns im Frühling teil. Mit dieser Datenbasis lassen sich die Auswirkungen und Reaktionen auf die plötzliche Schliessung der Musikschulen sehr gut erfassen. Die Daten zeigen vor allem: Musikschulleitende und Musiklehrpersonen haben sich ausserordentlich für die Aufrechterhaltung der musikalischen Bildung engagiert.

Das Forschungsprojekt «Netzbasierter Instrumental- und Vokalunterricht» des VMS und der Hochschule Luzern – Musik untersucht in Zusammenarbeit mit der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Bildung an Musikschulen. In einem Teilprojekt wurden im August und September 2020 Musiklehrpersonen über den Unterricht während des Lockdowns befragt. 1462 Musiklehrpersonen haben sich an der Umfrage beteiligt. Die ersten Auswertungen zeigen, dass im Lockdown lediglich 14 Prozent des Grossgruppenunterrichts durch eine Form des Fernunterrichts in vollem Umfang ersetzt wurden, was aufgrund der technologisch bedingten Grenzen des Zusammenspiels (Latenz der Datenübertragung) nicht erstaunt. Beim Einzelunterricht für Kinder und Jugendliche wurden jedoch 80 Prozent des Unterrichts in vollem Umfang durch Fernunterricht ersetzt, 17 Prozent in reduziertem Umfang und lediglich 3 Prozent des Unterrichts fanden in stark reduziertem Umfang oder gar nicht statt.

Hohe Akzeptanz bei den Lernenden
Bei den Lernenden wiederum stiess der Fernunterricht auf Akzeptanz. Rund 80 Prozent der Musiklehrpersonen gaben an, dass über drei Viertel der Lernenden regelmässig am Fernunterricht teilgenommen haben. Nach Einschätzung der Musiklehrpersonen haben zudem 44 Prozent der Lernenden des Einzelunterrichts mehr geübt als zu normalen Zeiten. Die Übe-Zeiten von Lernenden in Gruppenangeboten waren entsprechend des hohen Ausfalls des entsprechenden Unterrichts jedoch deutlich geringer als vor den pandemie-bedingten Einschränkungen.

Lockdown als Katalysator für den Fernunterricht
Im Einzelunterricht waren die drei häufigsten Unterrichtsformen der «Live»-Fernunterricht mit Video-Übertragung (angegeben von 64 Prozent der Musiklehrpersonen), das Einholen und Kommentieren von Video- und Audioaufnahmen von Lernenden (43 Prozent) und der Einsatz von selbstproduzierten Lernvideos für Schüler*innen wie Tutorials, Musizieranleitungen oder Korrepetition für Lernende (41 Prozent). Die Daten lassen auch erste Hinweise auf die Auswirkungen des Lockdowns auf den Musikschulunterricht zu. So gaben 6 Prozent der Musiklehrpersonen an, vor dem Lockdown gelegentlich einen «Live»-Fernunterricht mit Video-Übertragung für den Einzelunterricht genutzt zu haben; nach dem Lockdown waren es 37 Prozent. Es ist zu erwarten, dass Fernunterricht zukünftig häufiger stattfinden wird. Er ermöglicht Lehrenden beispielsweise die Durchführung des Unterrichts, wenn sie aufgrund eines künstlerischen Engagements im Ausland Lernende nicht physisch treffen können. Ausser Frage steht aber, dass Musikunterricht und Musik im Kern von direkten Begegnungen leben. Diesbezüglich gaben vier Fünftel der Musiklehrpersonen an, während des Lockdowns das Zusammenspiel mit ihren Lernenden stark oder sehr stark vermisst zu haben.

Mehraufwand für die Lehrpersonen
Die plötzliche Umstellung auf Fernunterricht verursachte den Lehrpersonen Mehraufwand. Für rund die Hälfte der Teilnehmenden war der zeitliche Aufwand für die Vor- und Nachbearbeitung des Fernunterrichts gegenüber dem entsprechenden Aufwand für den Präsenzunterricht sehr viel höher. Beim Einzelunterricht war der Aufwand für 87 Prozent der Teilnehmenden höher, für 11 Prozent gleich und für 2 Prozent geringer. 46 Prozent der Musiklehrpersonen haben gelegentlich oder häufig «Live»-Fragestunden ausserhalb des eigentlichen Unterrichts für Lernende zur Klärung von Fragen und zur Begleitung des Übens angeboten (gegenüber 27 Prozent vor und 39 Prozent nach dem Lockdown). Die Daten lassen vermuten, dass der Mehraufwand im Verlauf des Lockdown teilweise zur Belastung wurde, denn bei knapp einem Drittel der Musiklehrpersonen liess die Motivation zum Fernunterricht über die Zeit nach. Die Betreuung durch ihre Musikschulleitungen beurteilten die meisten Musiklehrpersonen als genau richtig, lediglich 23 Prozent hätten sich mehr Betreuung gewünscht.

Die weiteren Auswertungen der Umfragedaten sind im Gange. Der Schlussbericht der Studie wird voraussichtlich im Frühjahr vorliegen. Aus den Daten lässt sich aber bereits deutlich ablesen, dass die Leitenden und die Lehrpersonen von Musikschulen mit grossem Engagement die schwierigen Umstände des Lockdowns im Frühjahr 2020 zu meistern suchten. Insbesondere im Einzelunterricht konnten Lehrpersonen durch eine rasche Umstellung auf Fernunterricht die Lernenden musikalisch weiter fördern. Damit haben die Musikschulen einen fundamentalen Beitrag zur Ermöglichung von musikalischer Bildung während des Lockdowns geleistet. (Beitrag: Marc-Antoine Camp, Hochschule Luzern – Musik, Forschungsleiter)